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Künstliche IntelligenzWie wir unsere eigenen digitalen Doppel­gänger erschaffen

Der eigene, anhand von Selfies hergestellte Avatar in drei selbst ausgedachten Szenen: Als Batman über den Dächern der Stadt, als römischer Imperator im Kolosseum und als apokalyptischer Krieger im Fantasy-Land.

2023 ist das Jahr, in dem das Klonen erfunden wurde. Zwar nicht im gängigen Sinn, bei dem von einem Menschen oder Tier eine genetisch identische Kopie angefertigt wird: Diese Methode bleibt bis auf weiteres den Science-Fiction-Autoren vorbehalten. Doch es ist inzwischen problemlos möglich, einzelne menschliche Merkmale digital zu replizieren.

Den eigenen KI-Avatar erstellen

Wir können einen digitalen Avatar mit unserem Aussehen ausstatten. Die Artisse-App existiert fürs iPhone und für Android. Sie benötigt ein gutes Dutzend Selfies, die sie dazu verwendet, ein digitales Modell zu erstellen. Das tritt dann in den Szenen auf, die wir uns ausdenken und der App über kurze Textbeschreibungen mitteilen. Zum Beispiel: «Zeige mich als römischen Imperator im Kolosseum.» Oder «Verwandle mich in Batman vor einer nächtlichen Skyline».

Der Avatar erlaubt es uns, einige unserer Tagträume bildlich auszuleben. Das ist amüsant, aber so richtig authentisch fühlt es sich nicht an: Mein digitaler Doppelgänger hat zwar mein Gesicht, nicht aber meinen Körperbau oder meinen Gestus. Die App ist kostenlos, fürs eigene KI-Modell braucht es ein Abo, das ab 7 Franken im Monat erhältlich ist.

Die eigene Stimme klonen lassen

Auch die eigene Stimme lässt sich klonen. Bei Resemble.ai sprechen wir zwei Dutzend Sätze ein. Aus diesem Material wird ein virtueller Sprecher erzeugt, der geschriebene Texte in gesprochene Sprache umwandelt. Die Darbietung lässt sich über einen Editor beeinflussen, in dem Sprechpausen, Betonung, die Stimmhöhe und Intensität festgelegt werden.

Ist die eigene Stimme digitalisiert, lassen sich geschriebene Texte per Knopfdruck einsprechen.

Mit der Kunststimme lassen sich Hörbücher oder Werbespots einsprechen. Resemble.ai kommt laut Hersteller auch in Callcentern und in Film- und Fernsehproduktionen zum Einsatz. Und die Technologie verleiht Menschen mit einer Sprechbehinderung die Möglichkeit, sich mit ihrer eigenen Stimme auszudrücken. Apple hat für diesen Zweck beim letzten Update die Funktion «Live-Sprachausgabe» in die iPhone-Software eingebaut. Sie findet sich in den Einstellungen bei «Bedienungshilfen > Live-Sprachausgabe».

Ich finde meine eigene Kunststimme wirklich gruselig. Mich packt das metaphysische Gruseln, das Mani Matter erlebte, als er sich «bim Coiffeur» seinem unzähligfach vervielfältigten Spiegelbild gegenübersah. Die Stimme ist nicht so echt, dass die Illusion perfekt wäre – aber vertraut genug, um das Gefühl zu wecken, dass die Maschine sich hier einer sehr persönlichen Eigenschaft bemächtigt.

Chat-GPT auf den eigenen Schreibstil trainieren

Darum hatte ich einen Heidenrespekt vor dem letzten Experiment. Bei Chat-GPT ist es seit drei Wochen möglich, individuelle Bots zu entwickeln. Die heissen GPTs und sind für spezielle Zwecke gedacht: Sie geben zu Spezialthemen Auskunft oder verwenden einen bestimmten Stil. Zu diesem Zweck ist es möglich, den Bot mit eigenen Daten zu trainieren.

Kann also Chat-GPT meinen Schreibstil imitieren? Um das herauszufinden, richte ich einen eigenen GPT ein. Dafür braucht es Chat-GPT Plus, das Abo für 20 Dollar im Monat. Die Erstellung ist einfach: In einem Dialog teilen wir unserem Bot mit, was wir von ihm erwarten. Wir haben die Möglichkeit, Trainingsdaten hochzuladen. Ich mache es mir einfach und fordere meinen GPT auf, ein paar meiner Blogposts zu lesen und Rückschlüsse zu ziehen.

Der Bot liefert sogleich eine schlüssige (und schmeichelhafte) Analyse: Er benennt meine Lieblingsstilmittel und meine thematischen Schwerpunkte. Ich weise ihn an, eine dröge Pressemeldung so umzuschreiben, als hätte ich sie verfasst.

Wenn der Chatbot versucht, wie sein Meister zu klingen …

Fazit: Schmeichelei und Bedrohung zugleich

Das Resultat? Ein Text voller überdrehter Formulierungen, die ich nie so verwenden würde. Das sollte uns auch nicht wundern: Ich kann zwanzig Bücher von Stephen King lesen und trotzdem keinen Satz so schreiben wie er. Die Anekdote, die ich als Texteinstieg verwenden würde – die lebt nur in meinem Kopf und nicht in Chat-GPTs Datenbestand.

Am Ende bleiben widersprüchliche Gefühle. Einerseits schmeicheln diese digitalen Doppelgänger unserem Ego: Wie Narziss in der griechischen Sage ermöglichen sie es, dass wir uns an unserem eigenen Spiegelbild ergötzen. Andererseits bedrohen sie unsere Einmaligkeit und wecken Angst um unseren Job. Doch sie zeigen auch, was uns ausmacht: unsere Kreativität und die Menschlichkeit – nämlich die Dinge, die sich nicht klonen lassen.