Der YB-Express rollt weiter in Richtung Astana. Der RL-Sonderkorrespondent Herr Shearer nähert sich Moskau.
“Guten Tag, liebe Zurückgebliebene! Wenn Sie jetzt brandheisse News von Unterwegs erwarten, dann muss ich Sie leider enttäuschen. So eine Solo-Fanreise ist ein eher unspektakuläres Unterfangen. Überraschenderweise bin ich offenbar tatsächlich der einzige, der den Zug genommen hat. Oder habe ich etwas verpasst und es hätte einen Extrazug gegeben? Na ja, anyway, das nützt mir jetzt auch nichts mehr. In Polen fährt man lange durch den Wald, dann wieder über Land, dann wieder durch den Wald und zum Schluss wieder über Land. Irgendwo zwischendrin liegen noch ein paar Dörfer und Städte.

Der Nachtzug von Paris nach Moskau, welchen ich in Karlsruhe bestiegen habe, ist sehr modern – eigentlich schon fast zu modern für einen russischen Nachtzug. Der Speisewagen ist polnischer Provenienz, in seinem Innern haben immer noch die Achtziger Jahre das Sagen. Und jetzt das beste: der Kellner in diesem Speisewagen ist eindeutig Zlatan Ibrahimovics Bruder! Man könnte jetzt sagen, dass Zlatans Bruder sicher nicht Russe ist, aber Sie können mir glauben! Schade, dass der nette Kellner nicht für ein Beweisfoto posieren wollte, sonst wäre es auch Ihnen ins Auge gestochen.

An der Grenze zu Weissrussland dann allerdings erste Kalamitäten: ich wurde vom Grenzpersonal Lukaschenkos zum Übersetzen aufgeboten. Ein Franzose aserbeidschanischer Abstammung hatte zwar eine Aufenthaltsbewilligung in Minsk, aber irgendwie den falschen Passierschein. Das er per Taxi auf die polnische Seite zurück musste, um die Sache mit den Behörden zu regeln und seine Reise erst montags fortsetzen kann, hat mir nur solange leid getan, bis ich mich erinnerte, dass wir vom BSC Young Boys mit Frankreich und Aserbeischan vom letzten Jahr her noch eine Rechnung offen haben. Nein, da konnte ich wirklich nicht helfen.
Natürlich war die Stimmung nach dem Unentschieden im ganzen Zug etwas gedämpft, ein Aufsteller waren dann dafür die von einer “Babuschka” auf dem Perron in Brest erstandenen “Blinitschky”, mit Äpfeln oder Quark gefüllte Omeletten.
So, wenn Sie diese Zeilen lesen, müsste ich eigentlich Moskau erreicht haben. Drücken Sie mir nun die Daumen, dass ich nicht irgendwelchen Organdieben anheim falle und deswegen die Weiterreise verpasse. Sie wissen ja: der Zug nach Astana verlässt Moskau heute Nacht pünktlich um 22:48. Wieso diese Tasse da oben übrigens der Beweis dafür ist, dass die russische Regierung in jüdischer Hand ist, das erzähle ich Ihnen vielleicht ein anderes Mal. Do Svidanje!”