Zeit ist relativ, weiss unsere Kolumnistin.
Gestern um viertel nach vier läutete es an der Tür. “Hildi!”, rief ich. “Schön, dass Du doch noch kommst. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Du wolltest doch um vier da sein!”
“Es tut mir leid”, entgegnete das Hildi. “Meine Uhr ist stehengeblieben.”
“Das macht doch nichts”, seufzte ich. “Manchmal ist man halt spät dran im Leben. Fast wie die Bayern, die in Berlin erst in der sechsten Nachspielminute zum Ausgleich trafen.”
“Und dabei waren nur fünf Minuten angezeigt!” rief das Hildi aus.
“Nun”, sagte ich. “Der Schiedsrichter darf so lange nachspielen lassen, wie es ihm gerade beliebt. Auch wenn er etwas anderes angekündigt hat.”

Das Hildi schüttelte den Kopf. “Ich habe gelesen, das sei das späteste Tor aller Zeiten gewesen.”
“In der Bundesliga”, korrigierte ich. “Ich erinnere mich an ein Spiel in der deutschen Bezirksliga, 2007 muss das gewesen sein. Dostlukspor Bottrop empfing Blau-Weiss Wesel. In der ersten Halbzeit gabs 15 Minuten obendrauf, in der zweiten 13.”
“Jesses, Margrith! Und wie hat der Schiedsrichter das begründet?”
“Mit den vielen Spielunterbrechungen. Schliesslich hätten die Zuschauer für 90 Minuten Fussball bezahlt. Dabei wird natürlich nie 90 Minuten lang gespielt. Wissenschafter haben herausgefunden, dass es durchschnittlich nur gut 60 Minuten sind. Der Rest der Zeit vergeht mit Diskutieren, Verletzungen vortäuschen, stehende Bälle vorbereiten …”
“Mein Neffe hat also doch recht gehabt”, seufzte das Hildi. “Der Büne.”
“Sicher”, entgegnete ich. “Man könnte natürlich eine Nettospielzeit einführen, wie im Eishockey. Aber …”
“… was aber?”
“Dann hätten wir ja nichts mehr zu diskutieren. Und die Bayern-Gegner auch nicht. Möchtest Du noch ein Kaffee?”
“Aber sicher, Margrith! Ein Kaffee netto, also schwarz. Wegen der Linie. Und in der Nachspielzeit dann gerne noch einer von deinen selbstgemachten Berlinern !”