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Kommentar zu Pro-Palästina-ProtestenDas triviale Weltbild der Israel-Hasser

Am Dienstag wurden an der Zürcher ETH nach einem «Sitzstreik» 28 Personen abgeführt und verzeigt.

Jetzt hat es die Deutschschweiz erfasst. «Free Palestine!», skandierten Studierende am Dienstag an der ETH Zürich. An der Uni Lausanne sind die Pro-Palästina-Demonstrationen schon seit letzter Woche im Gang, an der Uni Genf und der ETH Lausanne seit Dienstag. Die Rektorate der Hochschulen sollen – so verlangen es die Protestierenden – im Nahostkonflikt nicht nur unmissverständlich für die Palästinenser Position beziehen. Sie sollen auch einen «akademischen Boykott» Israels durchsetzen und alle laufenden Kooperationen mit israelischen Hochschulen stoppen. 

Ob sich die Proteste zu einer eigentlichen Massenbewegung auswachsen werden wie ihre Pendants an den Universitäten Amerikas, bleibt abzuwarten. Allzu wahrscheinlich ist es nicht – trotzdem stehen Behörden und Öffentlichkeit in der Schweiz schon jetzt vor der Herausforderung, einen adäquaten Umgang mit dem Phänomen zu finden. Ein in der Tat vertracktes Problem.

Leicht zu beantworten ist im Grunde nur eine Frage: jene nämlich, ob den Forderungen der Protestbewegung nachzugeben sei. Diese Forderungen sind Auswuchs eines Denkens, das den Israelis die alleinige Schuld für sämtliche Bluttaten im Nahen Osten aufbürdet – und das damit den kompliziertesten Konflikt der Welt in das antagonistisch-triviale Schema eines Hollywood-Blockbusters zwängt: da die Schurken, dort die unterdrückten Freiheitskämpfer.

Die bedenkenlose Rede von «Genozid» und «israelischem Vernichtungsangriff», das Schweigen über die Verbrechen der radikalislamischen Hamas, vor allem aber der geforderte Boykott israelischer Hochschulen: All das ist so eindeutig antisemitisch konnotiert, dass sich wache Geister von dieser Bewegung auf der Stelle abwenden müssten. Zu Recht bleiben die Uni-Leitungen gegenüber den Boykott-Rufen bislang standhaft.

Und doch bleibt etwas Gutes

Sehr viel schwieriger zu beantworten ist die Frage nach dem richtigen Mix von Repression und Duldung. Die Unis scheinen inzwischen mehrheitlich entschlossen, die Proteste notfalls mit Polizeihilfe abzuklemmen. Nun verpflichtet uns die Freiheit der Rede aber, auch fragwürdige und unsympathische Äusserungen auszuhalten. Und obschon die Protestierenden technisch gesehen Hausfriedensbruch begehen mögen: Gewalt haben sie bisher nicht angewandt, ihre Aktionen verlaufen friedlich.

Der goldene Mittelweg, so schwer er zu finden sein mag, könnte in diese Richtung zielen: Die Unis verpflichten die Organisatoren, offen antisemitische Slogans (wie den Schlachtruf «From the river to the sea») entschieden abzuklemmen, und verschaffen den Studierenden im Gegenzug einen «legalen» Rahmen für ihre Proteste. Denn etwas Gutes haben diese letztlich doch. Gerade weil der Nahostkonflikt so komplex ist, neigen viele von uns dazu, ihn aus dem eigenen Bewusstsein zu verdrängen. Die Bilder aus Zürich, Lausanne und Genf zwingen uns nun zu neuerlicher Auseinandersetzung mit ihm.