Es ist ruhig geworden im ehemals umschwärmten Haus in Rayyan, einer Nachbarstadt Dohas. Nur die Strassenmaschinen wühlen, wie fast überall, unaufhörlich auch vor diesem Gebäude, um vor der WM-Endrunde 2022 in Katar alle Schnellverbindungen zwischen den Stadien zu erstellen. Dem Besitzer des Hauses wurde für diesen Strassenbau ein Teil des Grundstücks abgeschnitten. Der Eigentümer hätte an einem anderen Ort ein neues Grundstück erhalten können, doch er wollte bleiben. Stattdessen errichtete der einst prominente Hausherr seinen neuen Madschlis einfach im oberen Stock.
Im Geviert des Madschlis treffen sich im arabischen Raum die Männer zum Gespräch, zum Tee, Kaffee, Klatsch, zum Dattelnessen und Fernsehen. Der Madschlis ist gewissermassen der Stammtisch der Araber. Ab dem Jahr 2000 war dieser Treffpunkt in Rayyan neben der Fifa am Zürichberg das zweite Zentrum des Weltfussballs, denn der Herr dieser Gesprächsrunden war Mohamed bin Hammam (69), zu jener Zeit vielleicht der mächtigste Mann im Weltfussball. Bei ihm, dem Präsidenten der asiatischen Verbände und Mitglied des Exekutivkomitees, liefen die Fäden zusammen. Er hatte 1998 Sepp Blatter zum Fifa-Präsidenten gemacht, er verhalf Deutschland zur WM-Endrunde 2006 und schockierte seinen ehemaligen Freund und nachmaligen Feind Blatter, indem er die WM-Endrunde 2022 nach Katar holte. In dieser Zeit ging bei bin Hammam alles ein und aus: Funktionäre, Politiker, Journalisten, Hochstapler, schmierige Agenten – ausnahmslos Bittsteller, die vom schillernden, zurückhaltenden Araber etwas wollten. Wer sich damals nicht rühmen konnte, in Doha bei Mohamed bin Hammam gewesen zu sein, war fussballpolitisch ein Nichts.
Ein Fixpunkt des Weltfussballs wurde zur Sphinx
Heute ist ausgerechnet Mohamed bin Hammam sportpolitisch bedeutungslos. Zuerst musste er sich nach einem Deal zwischen Sepp Blatter und dem Emir von Katar von der Kampfwahl gegen den Walliser zurückziehen, danach haben ihn Blatters Ethiker wegen Korruptionsgeschichten gleich lebenslang gesperrt. Von einem Tag auf den anderen war Mohamed bin Hammams Madschlis nicht mehr ein Fixpunkt der Fussballwelt. Er hält sich seither an das verordnete Schweigen, und sein ehemaliges Netzwerk hat sich aufgelöst. Wer sich aus einem krummen Ding retten will und bin Hammam mit Verdächtigungen übergiesst, muss nichts befürchten. Bin Hammam hat noch nie viel gesprochen, aber inzwischen ist er zu einer Sphinx geworden. Er lässt alles über sich ergehen und mag auch nicht mit Ermittlern sprechen, etwa zur Aufklärung obskurer Zahlungen rund um Deutschlands WM-Bewerbung, welche die Republik seit Jahren nicht ruhen lassen. Bin Hammam bleibt in seinem Bau und schweigt eisern. Selbst sein Fifa-Konto lässt er in Zürich ruhen, falls es überhaupt noch vorhanden ist. Bin Hammam mag vieles getan und bewirkt haben – am Fussball bereichert hat er sich nie.
Das Schweigen soll bis nach der WM 2022 anhalten. Dann erst möchte Mohamed bin Hammam beginnen, um seine Ehre zu kämpfen. Bis dahin soll die WM in Katar nicht auch noch von Diskussionen um seine Person belastet werden. Es wird um die streitbare WM-Endrunde in der Wüste auch ohne ihn mehr als genug Gesprächsthemen geben.
Kein Wunder weibelt Infantino so für den Verkauf der Club WM an diese ominöse Investorengruppe, denn die Weltpolitik könnte der FIFA einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen, falls es wegen dem Syrienkonflikt, den Londrongrader Morden und Mordversuchen an Russen zu erhöhten Spannungen oder gar Krieg kommen könnte, dann könnte die WM in Russland am Ende sogar noch ins Wasser fallen. Immerhin hat die FIFA jetzt noch ein paar chinesische Hauptsponsoren gefunden, nachdem viele westliche Firmen abgesprungen sind.
Und ob eine WM in Qatar auf grosses Interesse stossen wird, das steht auch noch in den Sternen geschrieben und auch dort gibt es politische Spannungen.