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Corona-SymposiumUeli Maurer überrascht mit Aufruf zur Versöhnung

«Special Guest» Alt-Bundesrat Ueli Maurer hält seine Rede am Corona-Symposium in Bern.

In wenigen Minuten wird Ueli Maurer, Impfgegner und Alt-SVP-Bundesrat, in der Eventfabrik im Berner Länggassquartier sein Referat halten. Thema: «Wer regierte die Schweiz in der Covid-Krise?» Am Kaffeeautomaten, nach dem Hörnlisalat und dem Aprikosenküchlein, sorgt derweil die Frage, ob sie SVP wählen, bei den anstehenden Damen kurz für Aufregung.

Sie treffe ihre Entscheide nicht nach Parteizugehörigkeit, sagt Renata Dillier aus dem Seeland. Rechts und links seien für sie längst überholte Kategorien. Warum sie hier sei? «Ich will mich informieren», sagt die 64-jährige Kinesiologin.

Keine Zeit zum Durchatmen

Rund 200 Personen sind an diesem Samstag an das Berner Corona-Symposium angereist. Platz gehabt hätte es für 400. Unter dem Titel «Corona – Fakes und Fakten» wollen sie die Pandemiepolitik der Schweiz aufarbeiten. So wie die Pflegefachfrau, die am Vormittag während einer Pause rasch zwei Zigaretten raucht. «Es war nun schwer auszuhalten, angeheizt durch die Berichterstattung in den Medien als unverantwortlich und unsolidarisch dargestellt zu werden», sagt sie. Die Pandemiemassnahmen hätten viele «traumatisiert». 

Dieser Ansicht dürften hier viele zustimmen. Doch statt einer Aufarbeitung seien einfach die nächsten Krisen gekommen. Ukraine, dann Gaza. «Es gab einfach nie eine Zeit zum Durchatmen», so eine Besucherin. Immer wieder wird auch die Spaltung beklagt. Auch nach der Pandemie fühlen sich hier viele von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt.

Szene bleibt unter sich

Wer die Corona-Massnahmen zwar für einschneidend, aber insgesamt als notwendig erachtet, trifft man hier hingegen nicht an. Auch ist die Auswahl der Referentinnen und Referenten der Tagung ausgesprochen einseitig. Im Wesentlichen handelt es sich um ein Who’s who von in der Szene allseits bekannten Exponenten, die während der Pandemie auf eine bestimmte Flugbahn gerieten. In ihren Redebeiträgen geht es um die «Militarisierung der Medizin», um die «mRNA-Technologie und ihre Opfer» und um das «WHO-Regime».

Auf besonders viel Interesse stiess am Vormittag auch das «Plädoyer für eine Aufarbeitung» des Rechtsanwaltes Philippe Kruse. Immer wieder fotografiert jemand von den Zuschauenden seine komplizierten Folien. 

Junge blieben der Veranstaltung fern

Während an den Demos gegen die Pandemiemassnahmen zuweilen schräge Vögel für Aufsehen sorgten, dominiert hier der Schweizer-Mittelstands-Look. Bei den Männern oft auch «Business Casual» mit Hemd und Sakko. Wer sich besonders seriös geben will, trägt dazu noch selbstbewusst Krawatte.

Was man hier hingegen nicht sieht, sind die Jungen. Also ausgerechnet diejenigen, die von den Pandemiemassnahmen am stärksten betroffen waren. Der Altersdurchschnitt dürfte deutlich bei über 50 Jahren liegen. 

Hohe Preise, schrille Infostände

220 Franken haben die Besucherinnen und Besucher des Corona-Symposiums für ihr Ticket bezahlt, inklusive Verpflegung. Wem das zu teuer ist, kann das Symposium via Livestream für 75 Franken mitverfolgen. Die hohen Preise sorgten im Vorfeld der Tagung in der Szene für Unmut – sorgten aber wohl auch dafür, dass die schrillsten Youtube- und Telegram-Agitatoren der Veranstaltung ferngeblieben sind.

Zahlreiche Infostände warben mit teils schrillen Themen um die Gunst des Publikums.

Organisiert hat den Anlass der Thuner Arzt und Impfgegner Daniel Beutler. Der ehemalige EDU-Grossrat erscheint am Anlass im weissen Hemd und schwarzen Anzug. Von den sozialen Medien halte er sich fern, sagt er. Mit dem Mass-voll-Chef Nicolas Rimoldi, der inzwischen offen mit Rechtsextremen sympathisiert, hat er sich zerstritten. 

Verschwörungen und Alternativmedizin

Beutler rechtfertigt die hohen Ticketpreise mit dem teuren Catering. Am Anlass behauptete er, er habe das Symposium eigentlich auf dem Bernexpo-Gelände durchführen wollen. Doch hätten ihm die Veranstalter aus ideologischen Gründen die Räume nicht vermieten wollen. Fakt ist: Beutler und die Eventfabrik, die das Catering organisiert, haben beide einen freikirchlichen Hintergrund. 

Die teils schrillen Themen der ausgelegten Flyer der Infostände im Erdgeschoss stehen in einem seltsamen Kontrast zum eher biederen Erscheinungsbild des Publikums. Gewarnt wird etwa vor gefährlichen  5G-Strahlen, Pharmadiktatur, Medienmanipulation oder der gezielten Vernichtung ganzer Völker durch die Einführung des «digitalen Sozialismus und Kommunismus». 

Die Szene blieb weitgehend unter sich.

An den Ständen der christlichen Abtreibungsgegner kann man sich derweil über «Satans Lügen» und «Gottes Wahrheit» informieren. Fast an jedem Stand werden Unterschriften für die Volksinitiative gesammelt, die eine Aufarbeitung der Corona-Zeit fordert. 

An den Ständen wurde unter anderem vor Medienmanipulation gewarnt.

Etwas aus der Reihe sticht der Stand der 3Med-Klinik. «Wir arbeiten auch mit Quantenphysik», sagt die Pflegefachfrau neben einem Infusionsständer. Long Covid wird ebenso behandelt wie Impfschäden. Wer sich schlapp fühlt, kann sich mit einer Ozontherapie das Blut auffrischen lassen. Das Geschäft läuft offenbar gut. Man sei kürzlich nach Bern expandiert. 

Er fordert «Respekt vor den Schwurblern»

Angekündigt wird Maurer dann am Nachmittag mit etwas Verspätung von Samuel Kullmann. Der EDU-Grossrat ist einst für Beutler ins Kantonsparlament nachgerutscht. Ihm gebührt die zweifelhafte Ehre, einst als erster Schweizer Politiker von Twitter gesperrt worden zu sein. Vor Maurers Auftritt spricht er noch rasch darüber, wie heftig er damals im Grossen Rat wegen seines Vorschlags, Covid mit Vitamin D zu bekämpfen, angegriffen worden sei. 

Alt-Bundesrat Ueli Maurer wettert gegen die Wissenschaft.

Dann kommt endlich Maurer und macht etwas Überraschendes: Er gibt sich in seiner Rede nämlich ausgesprochen versöhnlich. So erinnert er etwa das Publikum daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Pandemiepolitik des Bundesrats in zwei Abstimmungen gefolgt sei. Und denjenigen, die ständig von Diktatur sprechen, hält Maurer entgegen, dass auch das Parlament und die Kantone den Notstandsverordnungen des Bundesrats stets zugestimmt hätten.

Maurer nimmt Bundesrat in Schutz

Laut Maurer hat der Bundesrat das Volk auch nicht angelogen. «Es gibt keine Schuldigen», sagt Maurer und nimmt damit den Bundesrat in Schutz. Stattdessen habe der Bundesrat durch übertriebene Schilderungen der Wissenschafter und Experten falsche Entscheide getroffen. «Die Faktenlage, die dem Bundesrat zur Verfügung stand, war ungenügend, und sie war einseitig. «Die Experten sagten uns, wenn ihr jetzt nicht handelt, haben wir 40’000 Tote.»

Die Pandemie habe die Bevölkerung tief gespalten, und das mache ihm Sorgen. Es brauche nun «Respekt vor den Schwurblern und Leugnern – und umgekehrt. Wir brauchen den Dialog in unserem Land.» Gleichzeitig schiesst er aber auch scharf gegen die Wissenschaft, die er für den «Hype» verantwortlich macht. Das alles müsse nun aufgearbeitet werden. «Eine schwierige Aufgabe für die, die sich da etwas verrannt haben.»