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Nordische «Michelin»-SterneDas sind die besten Restaurants in Skandinavien

Zum Start gibt es Tartelettes vom Sternerestaurant: Die Verleihung der «Michelin»-Sterne für die skandinavischen Länder dauert einen ganzen Tag. 

Hier ein Blütenblatt einer Rose, dort ein Veilchen und da pulverisierte Calendula: Die «Michelins for Nordic Countries» gleichen einem Blumenmeer. Und zeigen damit an, in welche Richtung es dieses Jahr kulinarisch geht. Denn wenn die «Michelin»-Sterne für die nordischen Länder verteilt werden, schaut die kulinarische Welt genau hin. Auch weil das vielleicht berühmteste Restaurant Skandinaviens – das Noma in Kopenhagen – bald schliessen wird. Was kommt danach? Hat die nordische Küche noch eine Chance? Wie sieht sie aus?

Vom Noma, das seine drei Sterne bis zur Schliessung 2024 behält, spricht an der Veranstaltung niemand. Diese dauert einen ganzen Tag, und man konzentriert sich eher auf Sternehäppchen, die permanent aufgetischt werden, derweil pausenlos Champagner nachgeschenkt wird.

Die Veranstaltung findet erstmals in Finnland statt, in Turku, der ältesten Stadt des Landes. Es gibt nur einen Stern in der Stadt, jenen im Kaskis (in dem man höchstwahrscheinlich keinen Platz bekommt, es ist zu klein; es empfiehlt sich, den Ableger Kakolanruusu im alten Gefängnis von Turku zu besuchen. Dort ist es legerer).

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Die Bürgermeisterin von Turku erscheint im Kleid mit Rosenmuster – ob Zufall oder nicht (auf diversen Desserts, die an diesem Tag serviert werden, finden sich Rosenblätter), ist ungewiss. Die ersten Häppchen gibt es vormittags um 11 Uhr auf einem historischen Schiff – Tartelettes unter anderem, und auf deren Böden liegen winzige Blüten. Die Sonne scheint, ein Glück, hört man immer wieder, in Finnland wehen normalerweise rauere Winde. 

Rosige Aussichten: In Skandinavien sind Blumen in fast jedem Gericht zu finden. Hier auf einer Kugel aus weisser Schokolade. 

Es ist ein bisschen wie Jahrmarkt, dieses Zusammenkommen von Köchinnen, Journalisten und Lokalprominenz, es gibt sogar eine Zirkusvorstellung und einen DJ. Auf den Schälchen stapeln sich Spargeln vom Feuerring, gebeizter Lachs, überhaupt viel Fisch und viel Gemüse, fast kein Fleisch, nur ein Lammragout und vielleicht mal ein bisschen Speck. Einer streicht Fischmousse auf ein süsses Sauerteigbrot, überall stehen Kräuter herum, es geht irgendwie immer um Kräuter und auch – der Saison geschuldet – um Rhabarber und Erdbeeren. Und um die Rosen, die sogar als Mousse in einer Dessertkugel auftauchen. 

Noch mehr Blüten, hier auf Tartelettes vom Sternerestaurant Kaskis in Turku.

So sieht es also aus, wenn die Crème de la Crème der nordischen Küche zusammenkommt. Diese setzt sich aus Chefs aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden zusammen. Deren regionale Spezialitäten unterscheiden sich teilweise erheblich, und doch spricht man von der einen nordischen Küche: Die für Regionalität und Saisonalität steht. Natürlich, das Prädikat Nachhaltigkeit ist in – und weit verbreitet. Nur scheint Skandinavien immer einen Schritt weiter zu sein, was Bewusstsein und Wertschätzung für Produkte angeht. Über diese Rückbesinnung auf essbare Nutzpflanzen in der Umgebung und die Zubereitungsweisen (wie das Kochen auf offenem Feuer zum Beispiel) wird hier gar nicht mehr diskutiert, so normal ist das alles geworden. 

Am Abend dann halten Taxis im Minutentakt vor der Eventhalle Logomo, roter Teppich, es sind Blumenkränze auf Köpfen zu sehen wie an Mittsommer, High Heels – auch die Kochelite hat sich für einmal in Schale geworfen. Nur das «Michelin»-Männchen, das im Foyer herumtorkelt, will nicht so recht in all den Glam passen. 

Die Testerinnen und Tester des «Guide Michelin» zeichnen dieses Jahr 271 Restaurants in nordischen Ländern aus: 81 mit Sternen, 34 mit der «Bib Gourmand»-Auszeichnung (diese erhält man für ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis) und 39 mit dem Green Star als Anerkennung für herausragendes Engagement für einen nachhaltigen Restaurantbetrieb. Letztere kann man parallel zu einem «normalen» Stern erhalten. In der Schweiz haben das zum Beispiel das Restaurant Kle von Zizi Hattab in Zürich oder das Schloss Schauenstein (drei Sterne, ein grüner Stern) von Andreas Caminada. 

Kochelite: Esben Holmboe Bang vom Maaemo in Oslo und Björn Frantzén vom gleichnamigen Restaurant in Stockholm – beide sind Dreisternköche.

Zurück in den Saal, wo die Show begonnen hat. Bei den Top of the Tops bleibt alles beim Alten: Das Noma und das Geranium in Kopenhagen, das Frantzén in Stockholm und das Maaemo in Oslo behalten ihre drei Sterne. Maaemo-Chefkoch Esben Holmboe Bang steht erst mal nur deshalb auf der Bühne, weil er den Newcomer des Jahres ankündigt. Der kommt aus dem Restaurant Demo in Helsinki, und schon jubelt und johlt das Publikum grösstenteils, weil ein finnisches Restaurant eine Auszeichnung erhält.

In den Reihen sitzen aber auch Schwedinnen und Norweger, der Showmaster verkündet Stern um Stern, man liegt sich in den Armen, der Koch vom Restaurant Vår in Porvoo nahe Helsinki weint auf der Bühne, die Sommelière des Jahres sagt, man müsse seine Gäste lieben, sonst könne man nicht arbeiten, ein Koch, der seinen ersten Stern erhält, sagt immer und immer wieder «my brain is not working» (auf Deutsch: «Mein Hirn funktioniert gerade nicht»), als er sich bedanken will, und Superstar Esben Holmboe Bang wird noch einmal nach vorne gerufen und sagt: «Kolleginnen und Kollegen, geniesst solche Nächte, aber vor allem euren Alltag. Arbeitet mit Stolz und Freude!»

Die Sterne-Verleihung ist eine hochemotionale Sache – für die Branche, sicher, aber auch für Gastro-Fans: Beim Public Viewing (auf dem Hügel beim erwähnten Kakolanruusu) geht es zu und her wie an einem Musikfestival. Das Jubeln der Fans des Restaurants Aira, das neu zwei Sterne trägt, sei bis nach Stockholm zu hören gewesen sein, erzählt man sich später. 

Wie an einem Festival: Public Viewing für die «Michelin»-Sterne-Verleihung.

Im Logomo wird es noch einmal blumig: Wieder kochen diverse Spitzenrestaurants, wieder gehen Hunderte Häppchen über die Tresen, wieder fliesst Schaumwein. Und schwedischer Dessertwein, klebrig und süss. Es ist eine Mischung aus Apéro riche, Galadinner und einem Kaurismäki-Film, und auf der Empore spielen finnische Rocker «Dschingis Khan». Und weil Sommer ist, sind draussen am Himmel keine Sterne zu sehen, es ist zu hell, nur drinnen funkelt es dann und wann, wenn ein Koch seinen Pokal in Form eines «Michelin»-Sterns durch die Menge trägt. 

Die Post-Noma-Ära hat längst begonnen. Und sie sieht rosig aus. 

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