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90. Geburtstag von Adolf MuschgSeine Ritter trinken Tee und benutzen den Computer

Figurenkreis, Personenverzeichnis, Cover-Entwurf und Manuskript zum «Roten Ritter» von Adolf Muschg.

Vor über dreissig Jahren ist Adolf Muschgs Roman «Der Rote Ritter. Eine Geschichte von Parzivâl» bei Suhrkamp erschienen. Die literarische Rezeption würdigte das Werk bald einhellig als sein Opus magnum, das wesentlich dazu beitrug, ihm 1994 als erst drittem Schweizer Schriftsteller nach Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt den Georg-Büchner-Preis zu verleihen.

Der Roman ist nicht nur wegen seines Umfangs von 1089 Seiten als das gewichtigste Werk Muschgs zu erachten, sondern ist es gerade dank des freien, witzigen und eigenständigen Zugriffs auf den zeitlosen Parzivâl-Stoff bis heute geblieben.

Adolf Muschg hat gut zehn Jahre an seinem Lebenswerk gearbeitet, wie die Dokumente aus seinem Bestand im Schweizerischen Literaturarchiv belegen. In dreiundzwanzig Archivschachteln liegen zig Vorstufen und Fassungen, ca. 20'000 Seiten mit handschriftlichen Entwürfen, Manuskripten, Typoskripten und Computerausdrucken, die die intensive Auseinandersetzung mit Wolframs «Parzivâl» aufzeigen, den Muschg als sein «Buch des Lebens» bezeichnete. Eine wahre Fundgrube für die erneute Auseinandersetzung mit dem epochalen Roman.

Die Geschichte vom tumben Toren

Die Nachdichtung von Wolfram von Eschenbachs mittelalterlicher Aventiûre-Geschichte unter modernen Vorzeichen bleibt auch noch im 21. Jahrhundert aktuell. Bei Wolfram ist Parzivâl der tumbe Tor, der in der Wildnis ohne Beziehung zur zeitgenössischen Zivilisation aufwächst und über viele Irrungen und Wirrungen seine Position in der höfischen Kultur und Gesellschaft bis hin zum Gralskönig erst finden muss.

Muschgs Roman spielt zwar ebenfalls im Mittelalter, durch raffiniert platzierte Anachronismen wird aber einleuchtend der Bezug zur Gegenwart hergestellt: Die Figuren trinken zusammen Tee oder notieren sich ihre Einfälle auf einem Computer. Nicht mehr die Eingliederung in die Gesellschaft steht im Vordergrund, sondern das Finden der eigenen Individualität.

Blick auf eine Welt in Aufruhr

Muschg sah in Parzivâl nichts Geringeres als den «ritterlichen – das heisst: abenteuerlich geduldigen – Verkehr mit der unbegründeten Hoffnung, dass dem Menschen noch zu helfen sei». Dieser positive Blick des Narren auf eine Welt in Aufruhr, ob im Mittelalter oder heute, spiegelt sich im «Roten Ritter» in einem Humor, der Ernst und ironisches Spiel souverän vereint.

Die Anfänge der Beschäftigung liegen in der Studienzeit: Der Autor griff bei der Arbeit am Roman auch auf ein Referat zurück, das er um 1953 in Max Wehrlis Parzivâl-Seminar gehalten hatte mit dem Titel «Parzivâl und die Minne». Dort hatte er dargelegt, wie Wolfram die Farbkontraste rot/weiss für die Minne sowie schwarz/weiss fürs Gralsthema gezielt als Strukturelemente einsetzte.

Farbschema der Figuren

Aus dem Archivmaterial sticht ein von akribisch erstellten Personenverzeichnissen flankierter Figurenkreis heraus, der dieses Farbschema berücksichtigt und das weitverzweigte Personal wie in einer Matrix sowohl zueinander als auch in Bezug zu den Fixpunkten der Handlung setzt.

Es ist die gelungene grafische Veranschaulichung dessen, was Muschg im Klappentext so beschrieb, um das schier unüberblickbare Fabel- und Figurentableau des Parzivâl-Kosmos herauszustreichen: «In dieser Fabel kann ihr Held des Anderen und der Andern, der Gefährtinnen und Gefährten, nicht genug bekommen, bis ihre Verwandtschaft aufgedeckt ist. Sie heissen Gawan und Orgeluse, Artus und Ginover, Feirefiz und Repanse, Liaze und Condwiramurs, Anfortas und Trevrizent, Orilus und Jeschute, Cunneware und Clamidé – wie heissen sie nicht?» Wissen Sie es (noch)?

Das Schweizerische Literaturarchiv präsentiert monatlich Trouvaillen aus den Beständen.

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