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100 Jahre Wenger-SchuheWie der kleine Laden starker Konkurrenz trotzte

Daniel und Bernhard Wenger verwandeln den Platz vor ihrem Schuhgeschäft für zwei Tage in ein Festgelände.

Mit Bier, Bratwürsten und Musik. So will das Langnauer Schuhgeschäft Wenger am Wochenende sein 100-jähriges Bestehen feiern.

Grund zur Freude haben die Brüder Bernhard und Daniel Wenger, die den Betrieb in dritter Generation führen, durchaus. Während grosse Schuhketten wie Voegele Shoes und Reno die Segel streichen mussten, konnten sie sich als Einzige in Langnau behaupten. 

Es ist aber nicht so, dass die Familie Wenger seit 100 Jahren in Langnau Schuhe verkauft. Angefangen haben Ernst und Antoinette Wenger 1924 in Avenches. 1931 zogen sie nach Langnau und übernahmen das «Schuhhaus zur Hans Sachs AG». 

Auch Schuhe wurden rationiert

«Der Handel mit Schuhen war und ist ein heimtückisches Unterfangen», steht in einer Gymerarbeit. Ein Urenkel von Ernst Wenger hat sie verfasst. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen.

Heimtückisch wurde es vor allem, als Ernst Wenger während des Zweiten Weltkrieges Aktivdienst leisten und dem Geschäft lange Zeit fernbleiben musste. Währenddessen schmiss Antoinette Wenger den Laden mit der Unterstützung einiger Schuhmacherkollegen. Sie hatte inzwischen fünf Kinder. 

Während des Zweiten Weltkrieges kontrollierte der Bund mit Coupons, dass die Schuhe für alle reichten.

Eines Tages im Jahr 1940 wurde der Schuhladen von der Kundschaft geradezu überrannt. Die Emmentaler hamsterten Schuhe. Es war am Tag, nachdem der Bund mitgeteilt hatte, dass auch Schuhe nur noch über Rationierungsbons erhältlich sein würden. Sonntags sassen Wengers Kinder jeweils um einen Tisch und klebten die von den Kunden abgegebenen Bons auf Karten. Diese mussten dann einer Bundesstelle zugesandt werden, bevor die Händler neue Schuhe bestellen konnten.

Modisches im Emmental

Eines dieser Kinder, der heute 94-jährige Fred Wenger, trat vor genau 70 Jahren in das Geschäft ein. Sein erster Coup war es, den Kommissionsvertrag mit der «Gebrüder Schneider AG, Schuhe en gros in Biglen» aufzulösen. Sonst wäre Fred Wenger in zweiter Generation ebenfalls gezwungen gewesen, nur Schuhe aus diesem Hause zu beziehen. 

Fred Wenger kennt man in Langnau nicht nur als ehemaligen Schuhverkäufer, er war auch Gemeindepräsident und vertrat die SVP im Grossen Rat.

Doch der Schuhmacher und Orthopädist, der im grössten Berner Schuhgeschäft Maikler das Verkaufen gelernt hatte, wollte auch Schuhe der renommierten Firma Bally anbieten.

Hochwertiges Schuhwerk kam in Langnau an, Wenger hatte Erfolg und bezog 1957 in der Nähe des Bahnhofs ein neues Lokal, in dem die Schuhe nun auf zwei Stockwerken verkauft wurden. 

Affen als Attraktion

Das neue Geschäft neben dem Bahnhof verfügte über eine besondere Attraktion. Es beherbergte ein Gehege, in dem ein paar Seidenaffen lebten.

Tagsüber hätten diese ihren Käfig verlassen, um im oberen Stock seinem Grossvater Ernst Wenger beim Schuhmachern Gesellschaft zu leisten, erzählt Daniel Wenger. Selbst gesehen hat er das nicht. 1965, im Jahr als Daniel Wenger zur Welt kam, wurde die Affenhaltung eingestellt.

«Aber man erzählte mir, dass meinem Grossvater häufig einer der Affen auf der Schulter sass, während er arbeitete.» Und wenn er dann das Tagewerk beendet habe, habe er laut gesagt: «So, Buebe, Fürobe.» Dann liefen sie die Treppe hinunter und nächtigten in ihrem Käfig. 

«Eine geniale Idee»

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg lief es gut für das Schuhgeschäft, sodass Fred Wenger expandierte. Er versuchte sich mit Filialen in Konolfingen und Wasen. Beide gibt es nicht mehr.

Wengers Schuhladen an der Marktstrasse in der Nähe des Bahnhofs.

Aber mit dem Schuhmarkt, den er 1963 am Langnauer Hirschenplatz eröffnete, «hatte er eine geniale Idee», sagt sein jüngerer Sohn Daniel. «Damit war er der Erste in der Schweiz. Schade, dass er den Namen nicht patentieren liess.»

Im Schuhmarkt bot Wenger jene Schuhe zu günstigeren Preisen an, die er im Hauptgeschäft nicht verkaufen konnte. Aber schon in den 1980er-Jahren habe er für den Schuhmarkt bewusst ein günstigeres Sortiment eingekauft.

Das Hauptgeschäft war hingegen die Adresse für teurere Schuhe von höherer Qualität. Das blieb auch so, als die Familie das Hauptgeschäft in die neue Überbauung auf dem  Dorfmühle-Areal verlegte.

In der Überbauung Dorfmühle ging es dem Hauptgeschäft wegen des stetig steigenden Onlinehandels nicht lange gut.

Aus der Einzelfirma war inzwischen eine AG geworden, in der die dritte Generation mitarbeitet. Bernhard Wenger war schon 1979 in die Firma eingetreten, er amtet als Geschäftsführer. Sein jüngerer Bruder Daniel kam 1993 dazu, er ist Verwaltungsratspräsident und betreut den Bereich Sicherheitsschuhe.

Schuhe anprobieren war einmal

Doch mit dem Umzug in die Dorfmühle brachen schwierige Zeiten an, nicht nur für das Schuhhaus Wenger. Die Händler hatten nicht damit gerechnet, dass man Schuhe dereinst nicht mehr im Laden anprobieren, sondern online bestellen würde.

In der Gymerarbeit des jungen Wenger steht: «Mit dem Onlineumbruch sind unterdessen sämtliche Bata-Filialen in der Schweiz verschwunden, und auch Vögele befindet sich im Niedergang.» Das war der Stand vor zwei Jahren. Vögele und auch Reno gibt es heute nicht mehr.

Überlebt haben in Langnau nur die Wenger-Schuhe. Doch auch Bernhard und Daniel Wenger mussten zurückbuchstabieren. Im Mai 2015 schlossen sie das Geschäft in der Dorfmühle. Seither konzentrieren sie ihr Angebot im Schuhmarkt am Hirschenplatz.

Seit Corona läufts rund

Laut dem Verwaltungsratspräsidenten geben die Zahlen wieder Anlass zum Feiern. «Gerade seit Corona spüren wir einen deutlichen Schub.» Es hat sich wohl ausgezahlt, dass das Schuhgeschäft während des Lockdown unkomplizierte Lösungen bot.

Einer verzweifelten Mutter, deren Kinder neue Schuhe brauchten, stellte Daniel Wenger eines Morgens eine Kiste voll zur Auswahl vor die Tür und holte den Rest am Abend ab. «Für mich war das eine kleine Sache.» Aber Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Kompetenz sprächen sich herum. 

Mit 69 kein bisschen müde

Im Laden trifft man neben überaus langjährigen Mitarbeiterinnen – Heidi Wüthrich arbeitet seit 39 Jahren dort – vor allem den älteren Bruder an. Doch wie lange noch? Bernhard Wenger wird nächstes Jahr 70. 

Ans Aufhören denkt er nicht. «Mir geht es wohl wie unserem Vater», sagt er lachend: «Als er 75 war, fragten wir ihn, ob er nicht langsam von fünf Tagen pro Woche auf vier reduzieren möchte.» Und auch der Grossvater habe mit 80 Jahren noch Schuhe repariert, fügt der zehn Jahre jüngere Daniel hinzu.

Noch haben die Brüder keinen fixen Plan, wer das Geschäft dereinst weiterführen wird. Von ihren Kindern habe gegenwärtig niemand Interesse. Aber vielleicht eine Mitarbeiterin? Mit der Nachfolgeregelung werden sie sich später befassen. Jetzt wollen sie erst einmal feiern. 

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